Hochseefischer Welt
See-Episoden anderer Art
Nordsee Nordsee
Die häufigsten nautischen Fragen »Es gibt keine dummen Fragen – höchstens dumme Antworten« (Unbekannt) Wie misst man die Wellenhöhe? Die Wellenhöhe kann nur auf wenigen Spezialschiffen gemessen werden. Die Angaben über die Höhe von Windsee und Dünung auf Kreuzfahrtschiffen oder Frachtschiffen sind Schätzungen der Nautiker, die Genauigkeit hängt im Wesentlichen von der Erfahrung und vom Augenmaß ab. Was bedeutet der schwarze Ball am Vormast? Es handelt sich um den Ankerball, einen Signalkörper von 60 cm Durchmesser. Dieser Ankerball zeigt an, dass das Schiff am Anker liegt und folglich anderen Fahrzeugen nicht ausweichen kann. Kann man mit dem Echolot nach vorne »sehen«? Die herkömmlichen Echolote bestehen aus einem Sender/Empfänger unter dem Bug des Schiffes. Die Abstrahlung der elektromagnetischen Wellen geschieht nahezu senkrecht Richtung Meeresboden, sodass nur die Wassertiefe unter dem Schiff dargestellt wird. Woher kennt man die Ausdehnung eines Eisberges unter Wasser? Die Geometrie von Eisbergen folgt bestimmten Regeln; so hat auch ein Tafeleisberg unter Wasser senkrechte Flanken. Unregelmäßig geformte Eisberge folgen unter Wasser weitgehend ihrer Überwasserform. Außerdem sind helle Verfärbungen des Wassers Anzeichen für »Nasen«, die unter Wasser einen Eisberg vergrößern. Der Sicherheitsabstand beim Passieren von Eisbergen ist meistens größer, als es den Anschein hat. Die Distanzen werden oft unterschätzt. Wer »steuert« das Schiff, wenn der Kapitän auf einer Cocktailparty ist? Drei Wachoffiziere lösen sich im Vier-Stunden-Rhythmus ab; während ihrer Wache sind sie für die sichere Schiffsführung voll verantwortlich. Der Kapitän übernimmt normalerweise nur in besonderen Fällen (Ein- und Auslaufen, schwierige Manöver) das Kommando auf der Brücke. Wenn der Kapitän gesellschaftliche Verpflichtungen wahrnimmt, herrscht auf der Brücke also »Routine«. Der Kapitän kann sich bei Verhinderung auch durch den Leitenden Offizier vertreten lassen.
Wie weit ist der Horizont entfernt? Die Entfernung des Horizontes ist abhängig von der Augeshöhe (d.h. der Höhe über dem Wasser) des Betrachters. Bei einer Augeshöhe von, beispielsweise, zwölf Metern ist der Horizont 7.3 Seemeilen entfernt, bei einer Augeshöhe von zwanzig Metern 9.4 Seemeilen. Was ist eine Seemeile? Eine Seemeile ist der 60. Teil eines Breitengrades (oder der 21600. Teil des Erdumfanges) und entspricht 1.852 Meter. Die Seemeile ist unterteilt in zehn Kabellängen zu je 185 m. Wie wirken die Stabilisatoren? Die Stabilisatoren bestehen aus einem Paar unter Wasser seitlich am Schiffsrumpf angeordneter »Flossen« von ca. fünf Metern Länge. Bei Rollbewegungen des Schiffes wird der Anstellwinkel der Flossen elektrohydraulisch verändert, sodass auf der eintauchenden Seite des Schiffes zusätzliche Auftriebskräfte entstehen und die Rollbewegung sehr wirksam gedämpft wird. Wie lang ist die Ankerkette? Die Ankerkette ist üblicherweise ca. 300 Meter lang. Sie ist unterteilt in zehn Schäkel zu je etwa 30 Meter. Damit kann in Wassertiefen bis ca. 100 Meter geankert werden, da die ausgesteckte Ankerkette etwa der dreifachen Wassertiefe entsprechen soll. Was bedeuten die goldenen Ärmelstreifen der Nautischen Offiziere? – Ein Streifen: Er kann lesen – Zwei Streifen: Er kann lesen und schreiben – Drei Streifen: Er kann lesen, schreiben und rechnen – Vier Streifen: Er kann das alles nicht – kennt aber jemanden, der lesen, schreiben und rechnen kann! Wie lang ist die Stoppstrecke der Hanseatic? Der »Bremsweg« bei einem Manöver von »voll voraus« auf »voll zurück« beträgt etwa 2.9 Kabellängen (537 Meter). Wesentlich kleiner ist jedoch der Drehkreis mit Hartruderlage, der lediglich 1.7 Kabellängen (315 Meter) beansprucht und daher das günstigere Manöver im Notfall darstellt. Gibt es noch einen Sextanten an Bord? Auch wenn die Ortsbestimmung heutzutage mithilfe elektronischer Systeme (GPS, Radar) durchgeführt wird, sind für Notfälle, z.B. durch kompletten Stromausfall, immer noch Sextant, Magnetkompass und nautische Tafelwerke an Bord. Die Nautiker sind im Umgang damit ausgebildet. Gibt es weibliche Kapitäne? Auch Frauen stehen heutzutage auf der Brücke von Seeschiffen als Wachoffiziere und Kapitän, ihr Anteil ist jedoch sehr gering. Die korrekte Anrede wäre übrigens »Frau Kapitän«. Kann das Schiff umkippen, wenn alle Passagiere auf einer Seite zusammenlaufen? Alle Personen an Bord, Passagiere und Crew, bringen samt Gepäck »nur« ein Gewicht von ca. 40 Tonnen auf die Waage, was nur ein kleiner Teil der Gesamttragfähigkeit des Schiffes von 1.100 Tonnen ist. Alle Passagiere auf einer Schiffsseite versammelt würden lediglich eine Krängung von einem Grad verursachen! Wie hoch sind die Hafenkosten für ein Schiff? Diese Frage ist nur schwer zu beantworten, weil sich die Kosten von Hafen zu Hafen beträchtlich unterscheiden; große und bekannte Häfen sind oft auch sehr teuer. Die Hafen- kostensetzen sich zusammen aus: Liegegebühren, Kosten für Schlepper, Festmacher, Lotsen, Frischwasser, behördliche Abfertigung und den Diensten der örtlichen Agentur. Die Größenordnung beträgt stets mehrere tausend bis -zigtausend Euro. Woher kommt das Trinkwasser an Bord? Der Trinkwasserverbrauch der Hanseatic beträgt etwa 100 Tonnen pro Tag, auf einer zweiwöchigen Reise also etwa 1.400 Tonnen. Die Tanks des Schiffes fassen jedoch nur einen Dreitagesvorrat, sodass während der Reise ständig Frischwasser aus Seewasser produziert wird. Dafür stehen ein Verdampfer und eine Osmoseanlage zur Verfügung. Das erzeugte Wasser ist erstklassig und hat Trinkwasserqualität. Darf ein Kapitän Trauungen vornehmen? Die Hanseatic unterliegt dem Recht des Flaggenstaates, der Republik Bahamas. Trauungen an Bord eines bahamaischen Schiffes werden von den Standesämtern in Deutschland jedoch nicht anerkannt. Sollten Brautpaare es wünschen, wird dennoch eine kleine (allerdings unverbindliche) Hochzeitszeremonie an Bord durch den Kapitän durchgeführt. Haben Sie, Herr Kapitän, schon einmal einen richtigen Sturm erlebt? Stürme gehören zur beruflichen Routine eines jeden Seemannes. Je nach Fahrtgebiet des Schiffes und Jahreszeit treten Stürme mehr oder weniger häufig auf. Sie bedeuten, abgesehen von lästiger Schaukelei, normalerweise keinerlei Gefahr für Schiff, Passagiere und Besatzung. Schiffe sind selbst für größte Belastungen durch Wind und Seegang ausgelegt. Orkane mit mehr als zehn Windstärken und Wellenhöhen von mehr als zehn Metern sind jedoch sehr selten. Welche Bedeutung haben die Flaggen des Schiffes? Früher dienten die Flaggen zur Übermittlung von Informationen, im Zeitalter des Sprechfunks werden sie weitgehend aus Tradition und Höflichkeit gesetzt. Man unterscheidet Heimatlandflagge (auf der Hanseatic Bahamas), Gastlandflaggen, Reedereiflaggen, Chartererflaggen und Signalflaggen. Die Flaggen werden am vorderen Signalmast (Gaffel) oder achtern (am Stock) gesetzt, jedoch nur im Hafen oder in Küstennähe. Stimmt es, dass Seeleute in jedem Hafen eine Braut haben? Das trifft nicht zu, denn wir laufen ja gar nicht jeden Hafen an … Warum trifft man auf offener See so wenig andere Schiffe? Natürlich sind zu jedem beliebigen Zeitpunkt Tausende von Schiffen auf den Weltmeeren unterwegs. An den »Engstellen« der Weltschifffahrt, z.B. dem Ärmelkanal, der Straße von Gibraltar oder der Malakka-Straße kann man stets auch sehr viele Schiffe sehen. Darüber hinaus »fächern« sich die Kurse der Schiffe aufgrund unterschiedlicher Ziele jedoch auf, sobald sie die Küstengewässer verlassen haben. Und bereits bei einem Abstand von ca. 15 sm zwischen den Schiffen sind diese optisch nicht mehr wahrzunehmen. Kann man auf dem Radar auch Wale sehen? Theoretisch ja – praktisch nein. Das Radar bildet Ziele über der Wasserlinie als Punkte auf dem Radarschirm ab. Bei guten Bedingungen werden selbst kleinere Objekte, z.B. schwimmende Fässer, vom Radar erfasst und dargestellt. Da ein Wal jedoch jeweils nur für einige Sekunden auftaucht und die Radarstrahlen reflektiert, wird auch sein »Echo« auf dem Bildschirm immer nur sehr kurz zu sehen sein. Man müsste also genau im richtigen Moment den Radarmonitor beobachten, um den Wal zu sehen. Mit welchen Methoden wird das Schiff heutzutage navigiert? Auf hoher See wird die Schiffsposition zuverlässig und genau durch Satellitennavigation mit GPS (Global Positioning System) festgestellt. In Küstennähe (bis ca. 20 sm) kommt hauptsächlich das Radar zum Einsatz. Optische Peilungen mit dem Peilkompass werden gelegentlich zusätzlich eingesetzt. Elektronische Hyperbel-Navigationsverfahren (Decca, Omega, Loran) spielen hingegen heute keine Rolle mehr. Die astronomische Navigation (Beobachtung von Gestirnen mit dem Sextanten) ist heute ein Navigationsverfahren für den Notfall und wird wegen hoher Ungenauigkeit nicht mehr regelmäßig angewendet. Was bedeuten die Abkürzungen vor dem Schiffsnamen, z.B. »MS«? Zur Unterscheidung der Schiffe hinsichtlich ihrer Antriebsart werden Abkürzungen verwandt, die dem Schiffsnamen vorangestellt werden. So steht beispielsweise »MS« oder »MV« für Motorschiff. TS – Turbinenschiff, NS – Nuklearschiff (durch Atomreaktor angetriebenes Schiff, sehr selten), GTS – Gasturbinenschiff, SY – Segelyacht, MY – Motoryacht, HMS – »Her Majesty’s Ship« (Kriegsschiff einer Monarchie). Gibt es noch einen Funker an Bord? Der Beruf des Funkoffiziers existiert nicht mehr. Das 1995 eingeführte GMDSS (Global Maritime Distress and Safety System) besteht aus modernen, automatisierten Komponenten, die auch von Laien bedient werden können. Man unterscheidet Satellitenkommunikation (für Fax, Telefon und E-Mail) sowie Hochfrequenzfunk (Sprechfunk und Telex). Der Morse-Code wird heute in der Seefahrt nicht mehr angewendet. Wie werden Schiffszusammenstöße auf See verhindert? Ähnlich wie im Straßenverkehr gibt es »Vorfahrtsregeln« (Rules of the Road), die die Ausweichpflicht der Schiffe untereinander festlegen. So ist z.B. ein Motorfahrzeug einem Segler gegenüber ausweichpflichtig, und auch auf See gilt generell: Rechts hat Vorfahrt. Wer regelt den Verkehr auf hoher See? Anders als im Luftverkehr ist der Seeverkehr nicht durchgehend geregelt und überwacht. Außerhalb festgelegter Verkehrstrennungsgebiete (mit »Einbahnverkehr«) in den Küstenzonen wird der Kurs des Schiffes bei der nautischen Reiseplanung durch den Kapitän bestimmt. Von diesem Kurs darf auch jederzeit abgewichen werden, sofern die Schiffssicherheit es erlaubt. Was versteht man unter Dünung? Dünung ist die Bewegung einer Meeresoberfläche, die nicht durch den aktuellen Wind hervorgerufen wird. Auf den Ozeanen kommt das Meer zwischen zwei Stürmen nie ganz zur Ruhe und die durch Wind erzeugten Wellen setzen sich als Dünung fort, oft über einen langen Zeitraum und eine große Distanz. Gibt es ein zuverlässiges Mittel gegen Seekrankheit? Das beste und garantiert erfolgreichste Mittel gegen Seekrankheit ist und bleibt … ein Waldspaziergang! Spaß beiseite: Angst vor Seekrankheit und hohen Wellen braucht der Seereisende kaum noch zu haben. Viele Schiffe, auch manche größeren Frachter, sind mit Stabilisatoren ausgerüstet, die bei Seegang eine ruhigere Fahrt ermöglichen. Wer ganz sichergehen möchte, kann sich ein Medikament verschreiben lassen. Ich habe – für alle Fälle, da muss sich niemand schämen – Peremesin N oder Cinnarizin AL 25 dabei. Beides wirkt, vor allem ohne lästige Nebeneffekte. Was ist ein Lotse? Der Lotse ist ein revierkundiger Berater der Schiffsführung. Er wird durch die nationalen Behörden zugelassen (bestallt). Meistens ist der Lotse auch Inhaber des höchsten nautischen Patentes und selbst mehrere Jahre als Kapitän gefahren. Was sind die Aufgaben eines Lotsen? Der Lotse gehört zum Brückenteam, das aus Kapitän, Wachoffizier und Rudergänger besteht. Er hat genaue Kenntnis über den Verlauf des Fahrwassers, die ausgelegten Tonnen, die lokalen Schifffahrtsvorschriften und die Besonderheiten von Strömungen und Wetter. Der Lotse hält Sprechfunkkontakt mit den Verkehrszentralen, Schleppern und Festmachern. Außerdem hat er einen genauen Überblick über die Verkehrssituation auf dem Revier. Er gibt Hinweise für die zu steuernden Kurse und Geschwindigkeiten. Meistens gibt er seine Kursanweisungen direkt an den Rudergänger weiter, und der Wachoffizier stellt die Geschwindigkeit am Maschinentelegrafen ein. Was ist ein Lotsrevier? Das Revier ist die Wasserstraße, für die ein Lotse ausgebildet und zuständig ist. Es kann sich um einen Hafen, einen Kanal oder einen Fluss handeln. Bei längeren Revieren sind verschiedene Lotsen zuständig, die unterwegs ausgewechselt werden. Muss das Schiff einen Lotsen nehmen? Nur in wenigen Fällen ist der Kapitän frei in der Entscheidung, ob er einen Lotsen anfordert oder nicht. Auf den meisten Revieren auf der ganzen Welt ist die Annahme eines Lotsen verbindlich vorgeschrieben (Lotsenannahmepflicht), allerdings abhängig von der Schiffsgröße und vom Schiffstyp. Übernimmt der Lotse das Kommando? Nein, das Kommando und damit die Verantwortung für die sichere Schiffsführung verbleiben grundsätzlich beim Kapitän des Schiffes oder beim Wachoffizier. Einzige Ausnahme auf der ganzen Welt ist der Panamakanal, wo der Lotse das Kommando und die Verantwortung für seine Manöver übernimmt. Im Übrigen kann ein Lotse nur dann für Konsequenzen aus seinem Verhalten haftbar gemacht werden, wenn er grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Ist ein Lotse wirklich immer erforderlich? Die Vorschriften nehmen selten Rücksicht auf die tatsächliche Schwierigkeit eines Reviers. Der Kapitän und seine Offiziere könnten manche Reviere auch ohne die Hilfe eines Lotsen befahren, vor allem, wenn sie selbst Erfahrung durch das regelmäßige Anlaufen eines Hafens gesammelt haben. Auf langen und schwierigen Revieren (z.B. dem Amazonas) geht es allerdings kaum ohne die Beratung durch einen ortskundigen Lotsen. Wie kommt der Lotse an Bord? Der Lotse wird auf einer in der Seekarte eingetragenen Position von einem Lotsenversetzboot an Bord des zu lotsenden Schiffes gebracht. In einigen Fällen (z.B. Elbmündung) halten sich die diensttuenden Lotsen auf einem stationären Lotsenschiff auf und werden mit kleineren Booten versetzt. Heutzutage werden Lotsen zunehmend auch mit Hubschraubern an Bord gebracht und dort mithilfe einer Seilwinde an Deck abgesetzt. Wer bestellt den Lotsen für ein Schiff? Die Bestellung der Lotsen erfolgt durch den örtlichen Agenten der Reederei, der zuvor vom Kapitän des Schiffes eine Mitteilung über die geplante Ankunftszeit (ETA) erhalten hat. Etwa eine Stunde vor Ankunft wird vom Schiff über Sprechfunk der Kontakt mit dem Lotsenboot hergestellt um die genaue Übernahmeposition und -zeit zu vereinbaren. In diesem Sinne: »Navigation ist, wenn man trotzdem ankommt« (Seemannsweisheit). Hanseatic-Kapitän Thilo Natke gibt Antworten.