Hochseefischer Welt
See-Episoden anderer Art
MS “Dömitz” MS “Dömitz”
„Mimer“ vermisst Sund und Bodden Forschungsschiff hat an der Steinernen Fischbrücke festgemacht Stralsund - Eine Gottheit am Sund? Zumindest der Name MIMER stammt aus der nordischen Mythologie. Das erfährt man an der Gangway von Gunnar Drewes. Er ist Erster Steuermann des formschönen blau-weißen Schiffes, das am vergangenen Donnerstag den Stralsunder Hafen angelaufen hat. Inzwischen ist es zum Blickfang am Kopf der Steinernen Fischbrücke geworden, links und rechts flankiert von Anglern.
1.Offizier Gunnar Drewes von FS "Mimer"
Hinter der vierköpfigen Crew des Stralsunder Kapitäns Ole Schmidt lag eine Überführungsreise aus Schweden. Daher stammt die MIMER. „Sie wurde“, verrät Drewes, „als Fischtrawler gebaut und später zum Forschungsschiff umgebaut“. Bei 27 Meter Länge, 7,1 Meter Breite und maximal 5,66 Meter Tiefgang bringt sie es auf eine Bruttoraumzahl (BRZ) von 270 Tonnen. „Das Ganze unter deutscher Flagge“, zeigt Drewes auf das im Wind knatternde Tuch am Mast. Die Hamburger Firma SeaTerra GmbH - ein international tätiges Unternehmen auf dem Gebiet der Kampfmittelräumung, Kampfmittelsondierung, Geophysik und Archäologie – hat den robusten Ex-Trawler gekauft, um ihn für verschiedene Aufgaben ihrer Profil-Palette einzusetzen. „Wenn alles an Bord für soweit umgerüstet ist“, sagt der Chief Mate oder Erste Offizier, „dann laufen wir aus in den Greifswalder Bodden, wo Vermessungsaufgaben anstehen. Dann werden noch zwei Geophysiker dabei sein“. Eine Weile werde man noch in Stralsund bleiben. „Eine schöne Stadt mit freundlichen Menschen“, lobt Gunnar Drewes, „hier werde ich mir auch eine kleine Wohnung nehmen“. Das sei während der Hafen-Liegezeiten doch etwas angenehmer als an Bord. Obwohl die Inneneinrichtung hell und gemütlich ist. „Selbst als Fischereifahrzeug“, weiß der Nautiker aus l angjähriger Seefahrtserfahrung rund um den Globus, „haben die Skandinavier schon immer einen hohen Standard gehabt“.
Drewes stammt aus Südwestafrika, „dem heutigen Namibia“, ist der Mann mit deutschem Pass immer noch stolz auf seine Heimat. „Dort hatten wir eine Farm“, erzählt er, „die schon meine Großeltern bewirtschafteten“. Er sei nach Armee und Polizeidienst dann aber zur See gegangen, „zunächst in der technischen, dann in der nautischen Laufbahn“. Dass im Foyer des Rathauseingangs ein Modell im Maßstab 1: 75 der „Gorch Fock“ (I) steht, gebaut im südafrikanischen Mosselbay und gestiftet als Dauerleihgabe vom Autor, lässt ihn hellhörig werden: „Das muss ich mir unbedingt mal ansehen, nachdem ich schon auf dem großen Vorbild war“. Was er denn über Weihnachten mache? „Wache gehen an Bord und mal in die Umgebung fahren“. Über den Mecklenburg-Vorpommern-Reiseführer hat er sich deshalb besonders gefreut, „ein kleines Weihnachtsgeschenk, das mir meine neue Heimat nahebringen wird“. Dr. Peer Schmidt-Walther
1.Offizier Gunnar Drewes von FS "Mimer"
Haikutter-Oldtimer im Langenkanal gesichtet
Stralsund, Steinerne Fischbrücke. Gegen den wolkenverhangenen Abendhimmel zeichnen sich zwei Masten ab. An diesem ersten November-Samstag steht ein besonderes maritimes Schauspiel an. Quer- und Langenkanal-Brücke öffnen sich um Punkt 17 Uhr. Rot, weiß und grün spiegeln sích Fahrtlichter und Topplaterne im stillen Hafenwasser, ein Glühkopfmotor bullert. Der Segler nimmt Fahrt auf und steuert im Schrittempo die enge Kanaleinfahrt an. Hafenmeister Detlef Grigo, jahrelang Werftkapitän der Volkswerft, schaut dem Schiff entgegen, das jetzt nur noch seine Schmalseite zeigt mit rot-grünen Positionslaternen und weißem Topplicht.
"Ob der hier glatt durchkommt?", meint der Nautiker skeptisch, "ist doch schon viel zu dunkel, die sehen doch nichts". Und 2,60 Meter Tiefgang seien bei dem jetzigen Pegel auch ganz schön viel. BJÖRNSUND liest man bei der Brückenpassage am überhängenden Heck und darunter Karlskrona als Heimathafen, die schwedische Flagge hängt darüber schlaff herab. Dann hat die Ketsch auch schon die erste Brücke passiert, begleitet von den Zurufen einiger Mitsegler, die dem Rudergänger die Seitenabstände melden. Darunter auch Freizeit-Seemann Karl-Heinz Müller aus dem Heilgeistkloster. Kurze Referenz an die Kronlastadie, die einst wichtigste schwedische Bastion mit Kriegsschiff-Werft. An der Langenkanalbrücke wird es kritisch, denn es geht dort auch noch links um die Ecke. Wie lange ist es her, dass ein Segler dieser Größe - 26,30 Meter lang und 4,76 Meter breit - hier eingelaufen ist, noch dazu unter schwedischer Flagge? Einige stimmungsvolle Kliefert-Gemälde zeigen noch hölzerne Frachtkähne an den Dalben vor dem Heilgeistkloster, wo geladen und gelöscht wurde. Um 17.30 Uhr macht die Crew fest. Angekommen im neuen Heimathafen. Womit Stralsund neben der FRIDTJOF NANSEN einen weiteren aktiven Großsegler zu seiner Flotte zählen kann. Vor 84 Jahren, so erfährt man schließlich von Skipper Olaf, dem neuen Eigner aus Berlin, wurde seine BJÖRNSUND im dänischen Esbjerg gebaut und war bis 1979 mit einem 200 PS-Diesel als Fischkutter in Dienst. Die Typenbezeichnung "Hai-Kutter" kam daher, dass er "schnell und gefräßig" war, also viel Fisch nach Hause brachte. Die äußerste Seetüchtigkeit dieser Nordsee-Kutter-Klasse nutzt auch Arved Fuchs für seine arktischen Expeditionen, denn seine schon legendäre DAGMAR AAEN - 2012 war er mit ihr in Stralsund - gehört zu dieser Schiffs-Familie. Überwintern wird der Großsegler an der Werft von Hans-Jürgen Thomzik, damit hier Reparaturarbeiten im Holzbereich fachkundig vorgenommen werden können. Vorausgesetzt, dass die Volkswerft wieder Fahrt aufnimmt, soll die BJÖRNSUND im Frühjahr dort trockengestellt und am Unterwasserschiff überholt werden. Bis dahin bietet die historische BJÖRNSUND von der Straße am Langenkanal aus einen weiteren attraktiven Blickfang vor der Altstadtkulisse. Peer Schmidt-Walther
Stralsunder Kapitän rettet vier Fischer Im Pazifik vor der peruanischen Küste in Seenot geraten Von Peer Schmidt-Walther Eine monatelange Fahrtzeit zwischen Ostasien, Mittel- und Südamerika auf dem Hamburger 80.000-Tonnen-Containerfrachter MS CMA CGM BAUDELAIRE liegt hinter ihm. Jetzt ist Udo Wölms – rechtzeitig zu Weihnachten - wieder zu Hause gelandet.
Ein (Vor-)Weihnachtsgeschenk der besonderen Art verdankt ihm und seiner Crew eine ecuadorianische Fischkutter-Besatzung. Kapitän Udo Wölms, der an der Seefahrtsschule in Wustrow studierte, seine Ausbildung bei der Deutschen Seereederei absolvierte und selbst freiwilliger Rettungsmann auf dem Stralsunder DGzRS-Boot HERTHA JEEP ist, nimmt seinen Beruf ernst. Daher weist er seine Steuerleute auch an, sich nicht nur auf die Brückentechnik zu verlassen, sondern immer wieder die eigenen Sinne einzusetzen: „Dazu gehört auch der Ausguck, also der Blick durchs Fernglas“. Bewegungsloser Punkt voraus Am Vormittag des 14. Oktober – der Frachter ist auf dem Weg von Süd-Chile nach Panama - sollte sich das bezahlt machen, genauer gesagt auf der Position vier Grad Süd, 88 Grad West, rund 40 Seemeilen vor der Pazifik-Küste Perus im Grenzgebiet zu Ecuador. Auf der Brücke Kapitän und der philippinische Dritte Offizier. Der lässt sein Fernglas im 180-Grad-Winkel über das voraus liegende Seegebiet schweifen. Plötzlich entdeckt er einen Punkt und vergewissert sich im Radar, dass der genau auf der Kurslinie liegt – bewegungslos. „Mal wieder ein Fischer, der uns nicht für voll nimmt, wie das leider so oft vorkommt!“, vermutet Wölms im ersten Moment an.
Armerudern, wenn nichts mehr geht Bis sich der 300-Meter-Koloss auf Sichtweite der Nussschale nähert. Erst da entdecken die Nautiker drei Männer auf dem Deckshaus des Kutters. „Die ruderten mit den Armen“, berichtet Wölms, „als wollten sie uns einfach nur freundlich zuwinken oder vielleicht aus Verärgerung, dass wir so dicht herangefahren sind“. Bis er die wahre Bedeutung des internationalen Signals erkennt: „Die sind in Seenot!“ Selbst aus scheinbarer Nähe erkenne man, so Wölms, erst sehr spät Menschen, wobei die Frachter-Brücke auch noch rund 50 Meter über Wasser liegt und für zusätzliche Distanz sorgt.
Wertvolle Zeit verstreicht Doch ein Schiff wie die CMA CGM BAUDELAIRE ist kein Auto, das man so ohne weiteres abbremsen kann. Da liegt das Boot auch schon achteraus mit den verzweifelt Winkenden. Der Kapitän gibt die Anordnung zum Beidrehen. Wertvolle Zeit verstreicht, bis das schwerfällige Schiff nach einer Schleife von über einem Kilometer Durchmesser auf Gegenkurs liegt. Vorsichtig manövriert Wölms die BAUDELAIRE an das Holzboot heran, das an der haushohen stählernen Bordwand leicht zerschellen könnte. „Immerhin herrschte ein Seegang von knapp zwei Metern“, sorgte sich der Kapitän. Um sich davor zu schützen, haben die Fischer ihr Netz im Wasser hängenlassen. Katastrophal: fast am Ende Die Gangway schwebt herab. Der Dritte, als Philippino des Spanischen mächtig, steigt hinunter und erfährt von den vier Ecuadorianern: vor einer Woche vom ecuadorianischen Hafen Puerto Bolivar zum Fischen ausgelaufen, Motor ausgefallen, Batterie kaputt, keine Funkmöglichkeit, Sprit, Wasser und Verpflegung am Ende, mehrere Schiffe seien vorbeigefahren, ohne dass sie den Zehn-Meter-Kutter entdeckt hätten. „Das hätte katastrophal enden können“, ist Udo Wölms sicher, „denn die sind ja mit dem Humboldt-Strom schon über 120 Seemeilen auf den Pazifik rausgetrieben“. Vier Menschenleben gegen sechs Fehlstunden Die Ecuadorianer sind glücklich: können mit ihren Angehörigen telefonieren, dass sie wohlauf seien, sich erst mal satt essen, eine Ersatz-Batterie einbauen und Treibstoff übernehmen. In knappen Worten schreibt der Kutter-Kapitän alles nieder, was sein Kollege auf dem „großen Dampfer“ übersetzen lässt. Beide Schiffsführer unterschreiben, Stempel drauf und fertig. Dann werden die Vier entlassen und tuckern mit ihrem Bötchen überaus dankbar dem Heimathafen entgegen, und MS CMA CGM BAUDELAIRE nimmt wieder seinen alten Kurs auf. Udo Wölms verfasst indes, so ist es Vorschrift, für Reederei und Charterer einen Bericht, um die sechs teuren Fehlstunden zu erklären. „Alles im Lot“, freut sich der Stralsunder, „vier Menschenleben sind durch nichts aufzuwiegen!“ Doch, so meint man ein gewisses Bedauern bei ihm herauszuhören, MRCC PERU, der Rettungsdienst, „hat sich weder bei uns gemeldet, geschweige denn seinen Dank für die lebensrettende Aktion übermittelt“.