Hochseefischer Welt
See-Episoden anderer Art
Stürmischer Saison-Abschied
Flusskreuzer MS SANS SOUCI zwischen Sund und Peene-Strom
Von Peer Schmidt-Walther
Stralsund/Wolgast. Kapitän Peter Grunewald runzelt die Stirn. Mit Blick zum Himmel, über den der steife Ostwind graue Wolken vor
sich her jagt, meint der sonst unerschütterliche Hüne: „Lauterbach können wir uns abschminken“.
Die letzten Gäste kommen vom Landausflug zurück. „Schön, überschaubar und gemütlich“ sei es in Stralsund gewesen, loben sie den
Stadtrundgang und freuen sich aufs Mittagessen mit Blick aufs Ozeaneum oder die GORCH FOCK (I).
An der Schokoladenseite entlang
Eine Reihe von ihnen verschiebt das leckere Schweinesteak, als der SANS SOUCI-Kapitän um 13 Uhr das Signal zum Ablegen gibt und
die Leinen ins Wasser des Nordhafens klatschen. Sie wollen Peter Grunewald beim Manövrieren über die Schulter schauen, während die
Schokoladenseite derHansestadt filmreif an Steuerbord vorübergleitet. Die Ziegelgrabenbrücke bleibt geschlossen, denn MS SANS SOUCI
aus Peissen bei Bernburg an der Saale macht sich für die Passage klein: Das Steuerhaus fährt hydraulisch in den Keller und der Vormast
mit den knatternden Flaggen senkt sich wie von Geisterhand nach vorn. Thomas Quatsling, der Stralsunder Marinemaler, zieht
unwillkürlich den Kopf ein: „Sieht knapp aus“, meint der Ex-Seemann und zückt seine Kamera. „Beim jüngsten Hochwasser hätte es schon
problematisch werden können“, meint Grunewald und lenkt den 82 Meter langen und 9,50 Meter breiten 1000-Tonner aus seiner Sichtluke
im Steuerhausdach souverän durch das „Loch“. Querab vom Kleinen Dänholm schließlich Hebel auf den Tisch! Im Radfahrertempo von
zwölf Kilometern pro Stunde schiebt sich das elegante Flusskreuzfahrtschiff durch die Ostansteuerung. Nach zwei Stunden wird Palmerort,
das Südwest-Kap von Rügen, gerundet.
Stralsunder golden girls
Kursänderung auf 90 Grad und hinein in den von weißen Schaumbahnen gestreiften Greifswalder Bodden. Es pustet vierkant von vorn, die ersten Spritzer
klatschen gegen die großen Scheiben des Panorama-Salons. Hotel-Direktorin Cathrin Fuhrmann, waschechte Stralsunder Deern mit den goldenen
dreieinhalb Streifen auf den Schultern aus der Frankenvorstadt und Ex-Goethe-Schülerin, hat vorsichtshalber die großen Blumenpötte umlegen und damit
sichern lassen: „Wenn wir erst ins Rollen kommen, bleibt nichts mehr an seinem Platz“. Über Funkverbreitet Stralsund traffic, die Verkehrszentrale,
eine „gale warning“, zu Deutsch: Sturmwarnung mit Böen bis zur Stärke acht.
Zu Recht, denn inzwischen boxen eineinhalb Meter hohe grüne Ostseewellen gegen das Vorschiff, an dem sie regelrecht explodieren. Die Gäste genießen
beim Nachmittagskaffee, den FH-Touristik-Studentin und Bord-Praktikantin Marie Kosche zum Kuchen serviert, hinter dicken Scheiben wohlig das seltene
schaurige Schauspiel, zucken aber auch bei jedem Wasserschlag instinktiv zusammen. Den erfahrenen Kapitän und Schiffseigner Peter Grunewald, der
sein Handwerk bei der Weißen Flotte Berlin gelernt hat, ficht das nicht an: „So lange die Dinger vierkant kommen, macht das nix, aber von der Seite…?
“ Er ist froh, dass er das Anlaufen von Lauterbach wohlwissend gestrichen hat, „das wäre niemandem gut bekommen“. Einen Hauch davon erleben
die 74 Gäste, als MS SANS SOUCI westlich der Insel Ruden ins Fahrwasser des Knaakrückens vor Freest eindreht. Cathrin Fuhrmanns warnende
Stimme hört man über Lautsprecher auf allen Decks. Das schlanke, nur 1,30 Meter tief gehende Schiff fängt an sich zu wiegen. Im Peenestrom, geschützt
durch die Insel Usedom, ist schlagartig Schluss damit. Alle atmen erleichtert auf.
Genuss-Schiff mit maritimem Flair
Eine Stunde Beinevertreten im Hafen von Peenemünde, wo Fahrgastschiffe, ein ehemaliges Volksmarine-Schnellbot, das berühmte U-Boot aus Sowjetbeständen
und die frühere Staatsyacht ALBIN KÖBIS, heute VINETA, am Kraftwerk vor sich hin dümpeln. Der schwarz-weiße Spargel einer V 1-Rakete erinnert an die
dunkle Vergangenheit des Geländes.
Eineinhalb Stunden später: Auch das romantisch beleuchtete „Blaue Wunder von Wolgast“, die monströse Zugbrücke, rührt sich nicht, denn SANS SOUCI
duckt sich wie schon in Stralsund einfach weg.
Übernachtet wird nach rund 60 Kilometern Sturmfahrt in Wolgast. „Das letzte Mal in diesem Jahr“, sagt Peter Grunewald und freut sich auf die wohlverdiente
Winterpause und sein Motorrad.
Vier Mal hat sein „Dampfer“ – Gästekommentar eines Bremer Kneipers: „Das Genuss-Schiff mit
maritimem Flair“ – auf dem Weg von und nach Berlin, Dresden, Prag, Straßburg, Hamburg oder
Kiel, auch Stralsund, Rügen und Hiddensee angelaufen. Insgesamt verzeichnet die Sundstadt am
Ende dieser Saison eine positive Bilanz: rund 100 Anläufe von Flusskreuzfahrtschiffen.
Und Peter Grunewald kann optimistisch, sozusagen „sans souci“, ohne Sorgen, in die Zukunft sehen:
Die SANS SOUCI sei bereits wieder gut gebucht - dank der vielen „Wiederholungstäter“.
Schon unterwegs hat sich der Skipper – mit Schalk im Nacken – bei den Kollegen von
Stralsund traffic abgemeldet:
„Denn man schöne Weihnachten und guten Rutsch!“
MS SANS SOUCI
Baujahr 2000 in Nijmwegen/Niederlande; 2007/08 modernisiert; Länge: 82 m; Breite: 9,50 m; Tiefgang: 1,30 m; Vermessung: 1000 Tonnen;
Antrieb: 2 x 600 PS; 41 Kabinen; Lift zwiyschen Haupt- und Panoramadeck; 1 Restaurnat (1 Essenszeit); 1 großes Sonnendeck; Bibliothek, Boutique;
Heimathafen: Peissen/Saale; Flagge: deutsch.
www.ms-sanssouci.de