Hochseefischer Welt
Fahrzeitberichte
Wahre Erlebnisse an Bord der Fischereischiffe der DDR "Unvergessliche Geburtstagsstory"
Kpt. Rudolf Speer
Hallo User, hier eine kleine Story aus meinem Seemannsleben: Mein Geburtstag 1986 Wir fischten mit Ros 337 "Ludwig Renn" und mehreren Schiffen der Rostocker Flotte vor der USA- Küste auf Makrele. Am 09.Mai sollten wir an einen polnischen Transporter Frostfisch übergeben. Zu diesem Zweck gingen wir längsseits. Da wir noch einen dicken Bütel an Deck zu liegen hatten, fingen wir nicht sofort mit der Übergabe an, sondern verarbeiteten erst unseren Fisch. Am 10. Mai (mein Geburtstag) begann dann die Übergabe von Frostfisch. Schon nach wenigen Stunden Übergabe mussten wir diese unterbrechen, da das Wetter sehr schlecht wurde.Anfangs blieben wir noch längsseits liegen , um besseres Wetter abzuwarten, aber auch das mussten wir abbrechen, das Wetter wurde immer schlechter und wir mussten ablegen. Wir ankerten ca. 1/2 Meile neben dem polnischen Transporter um besseres Wetter abzuwarten. Der Bootsmann kam auf die Brücke und erklärte , dass in der Ankerkette ein Törn sei. Er schlug vor, die Zeit zu nutzen, um den Törn zu beseitigen. Ich stimmte zu. Der Bootsmann kontrollierte auf der Back die Slipeinrichtung der Ankerkette (das Endeder Ankerkette war im Ketten- kasten zur Sichheit in einem Sliphaken verankert, das Betätigungsrad auf der Back war verblompt).Alles ok. Er fierte die gesamte Ankerkette langsam weg, um den Törn zu beseitigen. Auf der Brücke waren zu dieser Zeit der 1. Offizier Klaus Baum, der technische Inspektor, der Leitende technische Offizier und meine Wenigkeit. Wir waren in ein Gespräch vertieft. Auf einmal sagte der technische Inspektor ganz ruhig: "Nu iss er weg!" Ich fragte: "Was ist weg?". Er daraufhin: "Der Anker!" Ich sah nach vorn auf die Back und erschrak natürlich, der Anker und die gesamte Kette waren weg.Wir stellten im Nachhinein fest, obwohl die Vorrichtung verplompt war, der Sliphaken im Kettenkasten war offen, so war die Kette nicht gesichert. Geistesgegenwärtig notierte der 1. Offz. die genaue Position nach Loran und machte den entsprechenden Eintrag im Schiffstagebuch.Wind Stärke 8 aus 70 Grad, Wassertiefe 48 m. Erst einmal war der Verlust des Ankers ausser dem Schaden und der Kosten kein grosses Unglück, da wir ja einen zweiten Anker hatten. Ich ging zum Funker um ein entsprechendes Telegramm an die Fangdirektion in Rostock zu verfassen. Aber nun begann der ganze Ärger. Wir hatten einen USA- Observer an Bord, welcher die Fischerei in den USA- Gewässern überwachte. Alle Schiffe. welche in den USA- Gewässern fischten, mussten lt. Vorschrift auch sichheitstechnisch ordentlich ausgerüstet sein. Das waren wir mit nur einem Anker nicht. Der Observer verlangte von mir: 1. Bericht an die Coast Guard der USA über den Vorfall. 2. Verlassen der Gewässer der USA oder Einlaufen in einem USA-Hafen, um einen neuen Anker mit Kette zu kaufen. 3. Der verlorene Anker sollte auf unsere Kosten geborgen werden, da amerikanische Kutter da fischten und diese Schaden erleiden könnten. Nun war "Kacke am dampfen". Jeder kannte die Devisenlage der damaligen DDR und jeder wusste , welchen Schaden eine vorzeitige Heimreise bedeuten würde. Also beschloss ich den Anker selbst zu bergen. Ich sprach mit dem Observer und bat ihn um 2 Tage Zeit. Zum Glück war der Observer selbst ein ehemaliger Fischereikapitän und hatte Verständniss. er stimmte zu. Da das Wetter nicht besser wurde, beschlossen wir erst einmal wieder die Fischerei aufzunehmen um besseres Wetter für die Übergabe abzuwarten. Diese Fischereizeit nutzten wir um die Bergung des Ankers "generalstabsmässig " vorzubereiten. Der zweite Offizier bekam den Auftrag eine Karte mit dem entsprechenden Masstab zu zeichnen. Der Decksschlosser fertigte aus Tuckgewichtstangen einen Draken an. Nach zweiTagen Fischerei fuhren wir nach Wetterbesserung wieder zu derPosition zu dem polnischen Frachter und begannen mit der "Bergung" des Ankers. Wir kannten die genaue Position, die genaue Wassertiefe. Wir wussten die Kette liegt in Richtung 70 Grad entsprechend der Windrichtung. Wir schäkelten den Draken an die Kurrleine, fierten 50 m Kurrleine und begannen nach der Kette zu "fischen". Die Brücke war generalstabsmässig besetzt: Rudergänger 2. Offizier an seiner Karte 2.1. Offizier an der Verstelleinheit. Ich selbst war mit dem Bootsmann an Deck und hatte mittels UKW Verbindung zur Brücke. Wir fuhren die Kette rechtwinklig an, der 2. Offz. gab die Entfernung an: "noch 50 m; noch 30 m bis zur Kette " u.s.w. Dann waren wir ohne Erfolg über die Kette hinweg. Die gesamte Besatzung stand an Deck und verfolgte das Manöver, der Observer stand auf der Brücke. Er glaubte nie an eine Gelingen und schüttelte nur mit dem Kopf.Doch wir gaben nicht auf. Einen Versuch starteten wir noch mit 100 m Leine. Das gleiche Manöver noch einmal. Nach Überfahren der Kette wurde die Leine steif. Wir verfolgten gespannt das langsame hieven und zu unserer grossen Freude, die Ankerkette hing über dem Draken. Die ganze Aktion dauerte 2 Std. Den Anker über die Slipkante zu bekommen , dauert noch einmal 3 Stunden. Alle waren erleichtert und natürlich auch stolz über den Erfolg, wir konnten die Fischerei nach getanener Übergabe ohne Probleme fortsetzen. Eine grosse Devisenausgabe bzw. der Abbruch der Fischerei blieb uns erspart . Wieder einmal hatten wir bewiesen, zu was Hochseefischer aus Rostock fähig waren. Der Observer betonte noch oft seine Hochachtung vor der Arbeit der Rostocker Fischer. Rudolf Speer, Kapitän
Kapt. Rudolf Speer berichtet eine weitere lustige Story aus seiner Lehrzeit !
Die Story beruht auf Wahrheit, jediglich die Namen sind geändert. Es war in den 60-er Jahren. Wir fischten mit einem Trawler Typ III bei Grönland. Ich weiß nicht mehr warum, jedenfalls mussten wir in den grönländischen Hafen Sukkertoppen einlaufen. Für uns als frischgebackene Lehrlinge, wir machten die 2. Reise bei der Fischerei, war das natürlich ein Erlebnis, Seefahrerromantik pur. Wir waren 2 Lehrlinge an Bord. Wie gesagt , wir liefen in den Fjord von Sukkertoppen ein. Es gab keinerlei Pier oder eine Möglichkeit das Schiff festzumachen. Also legten wir uns mit dem Schiff mitten in der Bucht, umgeben von hohen schneebedeckten Bergen hin, 4 Matrosen paddelten mit dem Schlauchboot an Land, einen Tampen im Schlepptau, an dessen Ende die Kurrleine befestigt war. Die Kurrleine wurde über einen Felsen gelegt , das gleiche achter, und wir lagen vor Anker. In unserer Nachbarschaft lag ein Segelschiff, später erfuhren wir, dass das eine Fischfabrik war und dort von vielen Frauen Fisch verarbeitet wurde. Wir erhielten dann auch noch die Bestätigung als dutzende von grönländischen Frauen mit Booten angerudert kamen und zu uns an Bord wollten und teilweise auch kamen. Wie gesagt, für uns als Lehrlinge ein Abenteuer wie es im Buche steht. Die älteren Matrosen und Besatzungsmitglieder erhielten Landgang, alles ruderte an Land, wir als Lehrlige erhielten vom Kapitaen keine Erlaubnis das Schiff zu verlassen. Die Enttäuschung war natürlich gross, das erste mal im Ausland und wir mussten Bord bleiben. Wir nahmen allen Mut zusammen und gingen auf die Brücke und "beknieten" den Kapitän. Unser Argument, wir mussten schließlich arbeiten wie die Matrosen, teilweise 18 Stunden , und wenn es ans Vergnügen ging , sollten wir zurückstehen. Der Kapitän lies sich erweichen und erlaubte uns ebenfalls, aber nur in Begleitung des Netzmachers Hans an Land zu paddeln. Wir machten uns landgangsfein und paddelten los. Wir schauten uns die Ortschaft an und gingen im 2 m hohen Schnee spazieren. Plötzlich kamen uns drei junge Mädchen entgegen und wir kamen mit diesen ins Gespräch. Kurz und gut , als wir uns etwas unterhalten hatten, kam Netzmacher Hans auf den Gedanken, dass wir die Mädchen mit an Bord nehmen. Wir als schüchterne Lehrlinge hatten natürlich unsere Bedenken, doch Hans zerstreute diese recht schnell. Also gesagt getan, wir gingen in Richtung Hafen und paddelten mit zwei der Frauen auf das Schiff. Das dritte Mädchen musste nach Hause. Ich als der schüchternste von den dreien, ich kam aus einem kleinem Dorf aus dem Vogtland, ging natürlich leer aus. Netzmacher Hans verschwand mit der einen in seiner Kammer und mein Mitlehrling mit der Anderen in unsere Kammer. Zuvor bat er mich noch ja nicht in die Kammer zu kommen, solange er mit dem Mädchen da drin war. Ich drückte mich stundenlang auf dem Schiff herum und nach etwas 5 bis 6 Stunden paddelten Hans, der andere Lehrling mit den beiden Mädchen wieder los und brachten sie an Land zurück. Zwischendurch muss ich noch berichten, dass inzwischen Ebbe eingetreten war und unser Trawler lag hoch und trocken auf einem Felsen. Man konnte den Schiffsboden bewundern und sahen das erste Mal einen Schiffspropeller. Später kam die Flut wieder und unser Schiff schwamm wieder. Damals nahm man das alles nicht so ernst, es krähte kein Hahn danach. Jahre später wäre das ein grosser "Havariefall" gewesen und hätte Folgen gehabt. Am nächsten Tag liefen wir wieder aus und nahmen die Fischerei wieder auf. Und nun kommt es. Der Kapitän erfuhr, dass mein Mitlehring eine Frau an Bord hatte. Beim Schlachten an Deck gröhlte es aus dem Brückenfenster, eh, Mungie , komm mal hoch. Mein Mitlehrling , ich nenne ihn mal Otto, ging auf die Brücke. Dort fragte ihn der Kapitän mit toternster Mine wie er denn dazu käme als Lehrling ein Mädchen mit an Bord zu bringen. Otto schlotterten vor Angst die Knie und er stammelte Sätze ohne Zusammenhang. So, sagte der Kapitän, du schreibst jetzt einen Bericht über das Vorkommnis, ich möchte genau wissen was da los war, von Beginn des Landgangs bis ihr die Mädchen wieder zurückgebracht habt. Laut Aussage des Kapitäns sollte dann dieser Bericht in der Berufschule abgegeben werden. Ihr könnt Euch vielleicht vorstellen, Otto konnte nicht mehr schlafen und grübelte und grübelte wie er da wieder herauskam. Er setzte sich hin und schrieb seinen Bericht. Ich kann mich noch erinnern, er schrieb wie er an Land ging, wie er ein Mädchen kennengelernt hat, wie er es mit an Bord nahm…. Doch dann wusste er nicht mehr wie er es schreiben sollte. Ich riet ihm, sich Rat bei einem älteren Matrosen zu holen. Er ging zu Max und dieser sagte: "das ist doch ganz einfach." Und diktierte dem Otto was er schreiben sollte. Und so schrieb Otto weiter: Ich briet dem Mädchen in der Kombüse zwei Spiegeleier und dann schlief ich mit ihr "eine Stunde Brüderschaft".Am nächsten Tag ging er zum Kapitän und sagte, dass der Bericht fertig sei.Dieser wieder mit todernster Mine: "Leg ihn in meiner Kammer auf den Tisch!" Nach ca. 1 Woche rief der Kapitaen wieder aus dem Brückenfenster, nachdem Otto eine Woche kein Auge zugetan hatte, eh Mungie, hol den Bericht wieder ab. Otto holte sich seinen Bericht ab. Darunter stand die Unterschrift des Kapitäns und eine grosse 1 . Otto fiel ein Stein vom Herzen und die Sache war erledigt.
Rudi Liest Rudi Liest